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Zhuxiang und Widerstand

Psychoanalytische Psychotherapie und zenbuddistisches Verständnis

als unterschiedliche Wege zum gleichen Ziel



Zhang Tianbu, Volksklinik der Provinz Shaanxi, Psychologische Abteilung





Psychoanalytische Psychotherapie besteht in einem interpersonellen Austauschprozess in der Beziehung zwischen Therapeut und Patient, durch den der Patient zu tiefen Einsichten in seine innere Welt gelangt, eine Nachreifung der Persönlichkeit erfährt und eine erhebliche Besserung des Krankheitsbildes erreichen kann. Der Therapeut hat in diesem Prozess die Funktion, dem Patienten unablässig zu helfen, die dabei auftretenden Widerstände zu verstehen und zu überwinden. Widerstände in der Therapie können unterschiedliche Formen und Funktionen annehmen: Sie können die emotionale Kommunikation in der Arzt-Patient-Beziehung blockieren, können ein tiefergehendes Verständnis des Patienten für sich selbst verhindern und dazu führen, dass der Prozess stagniert und sich beim Patienten nichts ändert. Das Erlangen von Einsicht und vertieftem Verständnis ist der Kern der Therapie, wobei die verschiedenen psychotherapeutischen Schulen sich in ihrer Theorie und Praxis unterscheiden, was das Vorgehen zur Erreichung einer solchen vertieften Einsicht anbelangt.

Hier möchte ich nun unter dem Blickwinkel der klinischen Psychoanalyse und der Behandlungstechnik ein spezielles Phänomen untersuchen, das in solchen Behandlungen auftritt: den Widerstand. Wenn wir erfahren, dass es auch auf dem zen-buddhistischen Erkenntnisweg ein typisches Hindernis gibt, nämlich das sogenannte „Haften an Vorstellungen“
(Zhuxiang) [1] , so fordert dies einen Vergleich heraus mit dem in der psychoanalytischen Psychotherapie auftretenden Widerstand und den theoretischen Konzepten, die dazu in den verschiedenen psychoanalytischen Schulen entwickelt worden sind. Ich möchte hier den Versuch wagen, die psychoanalytische Theorie und Praxis in einen für Chinesen vor ihrem eigenen kulturellen Hintergrund leichter verständlichen Kontext zu übertragen – ein Versuch, der auch für westliche Hörer oder Leser interessant sein dürfte.


1. Zum klinischen Erscheinungsbild des Zhuxiang und des Widerstands

1.1 Frau C, eine Patientin mit sozialphobischen Ängsten

Die Patientin Frau C, 30 J. alt, kam wegen sozialphobischer Ängste und wünschte von sich aus eine psychoanalytisch-psychotherapeutische Behandlung. In den ersten 4 Therapiesitzungen hatte Frau C dem Therapeuten jedesmal sehr detailliert und faktenorientiert über ihre Symptomatik berichtet. Auch die Fragen des Therapeuten nach ihren Familienverhältnissen, der beruflichen Situation, Kindheits- und Jugenderlebnissen etc. wurden gewissenhaft beantwortet. In der 5. Sitzung kam es zu folgendem Dialog:

Frau C: Herr Doktor, ich habe Ihnen doch nun alles gesagt, was Sie wissen wollten. Jetzt warte ich darauf, dass Sie mir sagen, was ich machen soll, damit ich wieder normal werde.

Therapeut: Wieso meinen Sie, dass Sie nicht normal sind?

Frau C: Im Umgang mit Leuten bin ich immer so angespannt und aufgeregt, sehr sehr aufgeregt.

Th.: Haben Sie schon mal gemerkt, warum Sie sich derartig aufregen?

Frau C: Warum? Weil ich jedesmal rot werde, wenn ich mit Leuten zusammen bin.

Th.: Gibt es denn bestimmte Situationen, in denen Sie besonders leicht erröten?

Frau C: Ja, immer wenn ich mich aufrege, werde ich jedesmal rot.

Th.: Sich aufregen ist ja auch eine Art, wie man etwas spürt. Können Sie mir mal sagen, wie sich das für Sie anfühlt, wenn Sie sich aufregen?

Frau C: In so einem Moment fühle ich gar nichts.

Th.: Und wieso regen Sie sich dann auf, wovor bekommen Sie Angst?

Frau C: Dass ich rot werde, wenn ich unter Leuten bin. Wenn ich die Röte im Gesicht spüre, rege ich mich jedesmal auf und komme unter Druck. Sonst habe ich eigentlich keine Angst vor irgendwas.

Th.: Und dieses Erröten, wie ...

Frau C: Ja das ist weil ... jedesmal wenn ich mich aufrege, werde ich rot.

Th.: Ich erzähle Ihnen mal eine Geschichte, dann können wir uns ein bisschen entspannen. Ein Mann kaufte einen Papagei. Erst als er ihn zu Hause hatte, fiel ihm auf, dass der Vogel von seinem früheren Besitzer nur einen Satz zu sprechen gelernt hatte; er fragte nämlich den ganzen Tag: "Wer sind Sie?" Dem Mann ging das beträchtlich auf die Nerven.

Eines Tages, als der Mann morgens zur Arbeit gegangen war, brach ein Dieb ins Haus ein. Kaum hatte er die Wohnung betreten, da hörte er jemanden laut und deutlich fragen: "Wer sind Sie?" Der Dieb schrak zusammen, versteckte sich rasch im Schatten hinter der Tür und rief: "Der Gasmann – ich bringe die neuen Gasflaschen!"
Aber da fragte die ernste Stimme erneut: "Wer sind Sie?"
Der Dieb bekam es mit der Angst zu tun und antwortete wieder: "Der Gasmann!"
Der Frager schien ihm nicht zu glauben und fragte noch einmal: "Wer sind Sie?"
Und wieder antwortete der Dieb: "Der Gasmann!"
f-- "Wer sind Sie?"
-- "Der Gasmann!" ...

Als der Mann nach Hause kam und die Wohnungstür öffnete, fand er dahinter einen Fremden am Boden liegen, fast ohnmächtig, Speichel rann ihm aus dem Mund, er zitterte am ganzen Körper. Der Mann fragte sofort: "Wer sind Sie?" Aus dem Wohnzimmer kam deutlich die Antwort: "Der Gasmann!"

(here something to add!!

Frau C,“I know that you tell me to feel my self , but I dont have any felling.“

The room was silence in 5 mines. sudderly the A said,” ..........

der Therapeut die Patientin nicht etwa immer weiter befragt, ob und wie nun das Erröten von der Aufregung oder die Aufregung vom Erröten kommt etc.; das wäre ebenso fruchtlos gewesen wie das zirkuläre Frage-Antwort-Spiel von der Henne und dem Ei. Er hat sie nur ruhig angeschaut und schließlich gesagt: "Sie sehen hübsch aus." Kaum hatte er das ausgesprochen, verbarg Frau C ihr Gesicht in beiden Händen, wandte sich mit stockendem Atem abrupt ab und rief schließlich aus: "Sagen Sie doch so etwas nicht – Sie machen mich ja völlig verlegen! Gerade davor habe ich doch die allermeiste Angst – dass jemand finden könnte, ich sähe hübsch aus." Der Therapeut ließ es dabei und legte ihr lediglich nahe, auf solche Gefühlsreaktionen, wie eben gezeigt, einmal genauer zu achten.


1.2 Eine buddhistische Nonne mit einer Angststörung und Depression

Eine etwas über 60 Jahre alte buddhistische Nonne kam wegen fast täglich auftretender Angstzustände mit Schweissausbrüchen und schmerzhaften Nackenmuskelverspannungen zur Therapie. Vor allem während der täglichen Sutra-Rezitationen im Wechselgesang geriet sie leicht in Angst und Anspannung; besonders wenn sie befürchtete, bei ihrer Rezitation mit dem Rhythmus, den die Vorsteherin auf der hölzernen Fischtrommel vorgab, nicht Schritt halten zu können, dann brach die Angst aus. Für eine buddhistische Nonne, sagte sie, sei der Dienst an Buddha das Allerwichtigste, und daher seien die täglichen Morgenunterweisungen, Mittagszusammenkünfte und Abendrezitationen im Tempel für die Ordensleute die bedeutsamsten Tätigkeiten in ihrem Bemühen, Buddha zu dienen. Diese Pflicht ernsthaft zu erfüllen sei das Wichtigste in ihrem Leben; zwanzig Jahre lang habe sie sich in bezug auf ihren Dienst an Buddha nicht die geringste Nachlässigkeit zuschulden kommen lassen. Ihrer Vorstellung nach muss sie doch im Gottesdienst immer vollkommen makellos erscheinen, darf in keiner Hinsicht auch nur den geringsten Mangel aufweisen, daher verlangt sie auch von sich, während der Teilnahme an den gemeinsamen Rezitationen genauestens auf die Reime und Sprecherwechsel zu achten und dabei auch noch den Takt sicher zu halten. Jedesmal wenn die Rezitation beendet ist, ist sie ängstlich verspannt und in Schweiß gebadet; erst wenn der Gottesdienst vorüber ist, fühlt sie sich etwas erleichtert. Jeden Tag hat sie mit der Angst zu kämpfen, die Sutratexte nicht gut zu lesen, und empfindet deswegen Schuldgefühle. Wenn sie selbst an die Reihe kommt, für andere den Rhythmus mit der Holzfischtrommel vorzugeben, gerät sie wieder in Angst, gegenüber dem Rhythmus der anderen zurückzufallen, und schlägt immer angespannter und verkrampfter auf das Holz. Als nächstes fand sie auch das gemeinschaftliche Leben im grossen Tempel allzu angstbelastet und zog sich schliesslich überwiegend in einen kleinen Tempel zurück. Obwohl der Lebensrhythmus dort viel gemächlicher verlief, blieb sie auch hier ängstlich bemüht, alle Sutra-Rezitationen und Gottesdienste aufs Haar genau gemäß den Vorschriften durchzuführen. Jedesmal wenn der Wachdienst beim Buddha auf sie fiel, bestand sie darauf, erst noch das gesamte Sutra bis zum Ende zu verlesen, weil ihr das lange Sitzen zu beschwerlich wurde und ihr ganz
elend zumute war; sie zitterte vor Aufregung, ihr Nacken war verspannt und der Rücken schmerzte, neben den schon erwähnten Symptomen spürte sie auch ein Kribbeln in den Beinen und Füssen. Als ihr Zustand immer kritischer wurde und sie zunehmend in Angst und Verzweiflung geriet, rang sie sich schliesslich dazu durch, die Psychotherapeutische Ambulanz aufzusuchen.

Auf die Frage des Therapeuten, ob sie wegen der beschriebenen Symptome auch schon andere, etwa ihre Vorsteherin im Kloster, um Rat gefragt habe, sagte sie, dazu habe sie kaum Zeit, sie müsse doch jeden Tag zu den vorgeschriebenen Zeiten die Sutren lesen. Und die leitenden Nonnen hätten mit der Durchführung der verschiedenen buddhistischen Zeremonien genug zu tun; dies sei schließlich ihre vorrangigste Pflicht. Bei denen habe sie ohnehin keine Chance, dass sie sich mit den geringen Problemen eines einzelnen Menschen befassten.

Der Therapeut fragte weiter nach dem Sinn der Sutra-Rezitationen. Wenn sie die Worte der buddhistischen Schriften einmal auf ihre eigene Situation anwende, welches Verständnis liesse sich daraus gewinnen? Sie dachte einen Moment nach, dann sagte sie: "Ja. Ich war wohl doch zu anklammernd und verbissen in meinem Glaubenseifer."

Ich denke, damit hat sie recht: Diese Kennzeichnung trifft wirklich auf die Form und Einstellung zu, mit der sie betete und die heiligen Texte rezitierte – ein zwanghaftes Festhalten an der äußeren Form, mit anderen Worten eine Art von „Haften an der Erscheinungsform“ (Zhuxiang), wie es die Patientin jetzt selbst erkennen konnte.



1.3 Ein „Sexualneurotiker“ – Herr Z

Herr Z ist ein neurotisch-depressiver Patient, seine Krankengeschichte geht bereits über mehr als 10 Jahre. Nach zwei Jahren analytischer Therapie war seine Stimmung schon nicht mehr so niedergeschlagen, er spürte neue Vitalität und Lebenslust. Er wollte jetzt wieder das Leben in vollen Zügen genießen und äußerte dem Analytiker gegenüber: "Ich glaube, aus dem egozentrischen Grübeln bin ich jetzt zumindest teilweise wieder heraus, die Stimmung ist gegenüber früher viel besser geworden. Aber zu einem normalen geregelten Leben, meine ich, gehört auch eine Frau. Wenn ich mir vorstelle, ich bin zwar ein Mann, aber in puncto Sexualität ist bei mir nichts los – das wäre wirklich schlimm. Aber ich komme einfach nicht davon los: Jedesmal denke ich, meine Erektion wäre nicht fest genug oder nicht anhaltend genug, oder es gäbe nicht genügend Zeit, und noch mehr Angst habe ich davor, nicht zum Orgasmus zu kommen. Meine Freundin hat sich zwar noch nicht darüber beschwert, manchmal hat sie mich sogar gelobt und mir Mut gemacht, aber trotzdem habe ich immer Angst, impotent zu sein. Ich habe schon mehrere Sexualtherapeuten aufgesucht; alle haben dasselbe gesagt – bei mir gebe es überhaupt kein größeres Problem. Was denken Sie, Herr Doktor, könnten da bei mir irgendwelche inneren psychischen Gründe eine Rolle spielen?"

Es dauerte noch einige Zeit der Therapie, bis er begriff, dass es seine noch wenig durchgearbeitete narzisstische Einstellung war, die ihn daran hinderte, eine vertrauensvolle, harmonische, entspannte und lustvolle Partnerbeziehung aufzubauen. Sexuelle Befriedigung ist eine Angelegenheit zwischen zwei Menschen; er jedoch hatte geglaubt, das hinge allein von ihm, konkreter ausgedrückt: vom Funktionieren seines Penis ab, und dabei übersehen, dass beglückende sexuelle Befriedigung im Grunde erst durch eine Verschmelzung der Gefühle und der Lust beider Partner entstehen kann. Als er das erkannt hatte, seufzte er tief und sagte: "Anscheinend bin ich so jemand, der immer eine bestimmte Vorstellung braucht, an die er sich dann klammert“ – eben das, was im Diamant-Sutra als „Verhaftung an Vorstellungen“ (Zhuxiang) bezeichnet wird.



1.4. Ein zwanghafter Perfektionist – Herr B

Sehr lange schon lebte Herr B in einem Chaos. Er beschrieb sein Leben folgendermaßen: "Den ganzen Tag bin ich unentwegt am Werkeln, denke mir immer wieder irgendwelche perfekten Pläne aus, an die ich mich genau halten will, aber alles, was ich dann zustandebringe, mache ich im nächsten Moment auch schon wieder zunichte. Ich glaube nicht, dass ich das absichtlich tue, aber gemessen an der Riesenmühe sollte es mir eigentlich viel besser gehen." Daraufhin entwarf er wiederum neue Pläne, die er bis in alle Einzelheiten festlegte, aber kaum hatte er einen fertig ausgearbeitet und in Angriff genommen, wiederholte sich prompt das gleiche Muster, und wieder war ihm alles immer noch nicht perfekt genug.

Der Patient erinnert sich: "Das kommt mir ganz ähnlich vor wie eine Situation, die ich mal als Kind erlebt habe. Eines Tages hatte meine Mutter in der Stadt etwas zu besorgen, und ich musste zu Hause bleiben. Im Weggehen schärfte sie mir immer wieder ein, nur ja schön zu Hause zu bleiben und nicht raus spielen zu gehen. Aber mein Verlangen, doch hinauszugehen und draußen zu spielen, wurde immer dringender, ich wollte unbedingt raus. Das hieß aber, dass ich mich beeilen musste, wieder zu Hause zu sein, bevor meine Mutter zurückkam. Nun hatte sie mir aber keinen Schlüssel dagelassen, und als ich aus der Wohnung nach draußen gegangen war, fing ich an zu überlegen und auszuprobieren, wie ich die Tür am besten zumachen könnte, nämlich so dass sie verschlossen aussähe, in Wirklichkeit
aber leicht wieder zu öffnen wäre. Ich habe es immer wieder probiert, den optimalen Punkt zu finden, immer wieder, fast eine Stunde lang.

Der Therapeut fragt: Und – haben Sie diesen optimalen Punkt schließlich gefunden?

Herr B (kurz auflachend, wobei Sarkasmus und zugleich eine gewisse Hilflosigkeit herauszuhören ist): Den optimalen Punkt – den werde ich so wohl nie finden.

Th: Und wie ging die Geschichte aus?

B: Die Tür war schließlich zugeschlagen, ich stand ganz bedrückt davor und wartete darauf, dass meine Mutter wiederkäme, denn auf die Straße zum Spielen zu gehen, hatte ich ja auch nicht geschafft. Anscheinend ist es das, was ich jetzt dauernd wiederhole: Ich möchte loslegen, aber komme einfach nicht in Gang.
In der Therapie beharrte der Patient weiterhin auf diesem einen Punkt: "Erst muss ich mich in einen optimalen Ausgangszustand gebracht haben – vorher kann ich nicht loslegen und meine Sachen erledigen." Es ist ihm offensichtlich klar, dass er diesen Idealzustand, der ihm da vorschwebt, schwerlich finden wird, und dennoch sucht er verbissen weiter, bei jedem Anlauf mit neuer Hoffnung, und will es nicht aufgeben.

2. Zum Verständnis von Widerständen des Typs Zhuxiang
im Zen-Buddhismus und in der Psychoanalyse

2.1 Typische Merkmale von Widerständen des Typs Zhuxiang

Im Verlaufe des psychotherapeutischen Prozesses gibt es ein auffälliges Phänomen, das sich zweifellos auch am Beispiel der angeführten vier Fallvignetten aufzeigen lässt: den Widerstand. Es fällt weiter auf, dass die Äußerungsform des Widerstandes in allen vier Fällen die gleiche ist, nämlich: Sobald der Patient oder die Patientin sich auf den therapeutischen Prozess eingelassen hat, kommt es schon bald zu einer Art Stillstand, die Inhalte des Dialogs werden konkretistisch und sind vom Wiederholungszwang geprägt; in bezug auf das Problemverständnis hält der Patient starrsinnig an einer einseitigen Sicht fest; der Dialog zwischen Patient und Therapeut reduziert sich auf eine begriffliche, rationalisierende Ebene; in Momenten, wo es zu tiefen Einsichten kommen könnte, fällt dem Patienten plötzlich nichts mehr ein, d.h. er kann nicht mehr frei assoziieren; die emotionale Kommunikation von innen heraus ist blockiert, die Ebene des körperlichen Spürens, der somatischen Wahrnehmungen, wird nicht mehr erreicht.

Widerstandsformen mit diesen typischen Merkmalen sind weitgehend identisch mit dem, was im Zen-Buddhismus als „Festhalten an Vorstellungen“ (Zhuxiang) oder als „Haften, Verhaftetsein, Verstricktsein“ (Zhizhuo) beschrieben wird. Ich sehe sie deshalb als eine spezifische Gruppe von Widerständen an, deren nähere Untersuchung im therapeutischen Kontext gewiss lohnt. Den Begriff "Zhuxiang-Widerstände" verwende ich dafür aus dem Grund, weil für meine chinesischen Leser und Hörer, deren kultureller Hintergrund fast 2000 Jahre lang vom Zen-Buddhismus mitgeprägt war, die Bedeutungsimplikationen dieses Begriffes und des damit gemeinten Zustandes vertraut sein dürften, so dass die Übertragung des Begriffes auf den psychotherapeutischen Kontext der Therapeut-Patient-Beziehung das Verständnis erleichtert.

Zhuxiang-Widerstände wirken sich aus auf das Verhältnis und die Integration zwischen Affektivität und Rationalität, sodass der Patient in seinem Fühlen und Verständnis die Zusammenhänge zwischen seinen Problemen und deren Hintergründen nicht erfasst, die Therapie auf der bewussten Ebene verbleibt und die tieferen unbewussten Bedeutungsebenen nicht erreicht werden können.

Widerstand in der Psychotherapie bedeutet Nicht-Kommunizieren, Nicht-sich-Stellen, Nicht-Verstehen, Nicht-sich-Ändern-Wollen. Widerstände vom Typ Zhuxiang äußern sich in der Hauptsache durch Nicht-Verstehen.



2.2 Zen-buddhistische Aussagen zur „Verhaftung in Vorstellungen“ (Zhuxiang)

Im Zen-Buddhismus wird gesagt, dass der Übende auf seinem Erkenntnisweg in eine typische Schwierigkeit geraten kann, die ihn daran hindert, echtes und tiefes Verstehen (Erleuchtung) zu erreichen. Gemeint ist das Haften bzw. Festhalten an bestimmten Vorstellungen oder Begriffen, das Sich-Anklammern und Sich-Stützen auf äußere Anzeichen und Erscheinungsformen – chinesisch Zhuxiang.

Das Wort stammt aus dem Diamant-Sutra, einem selbständigen Teil des umfangreichen Prajnaparamita-Sutra. Ich zitiere aus der deutschen Ausgabe des Diamant-Sutra: "Wenn ein Bodhisattva sich in Freigebigkeit übt, dann stützt er sich auf kein Objekt, das heißt, er stützt sich auf keine Form, keinen Klang, keinen Geruch, keinen Geschmack, kein Berührbares oder sonstige Erscheinungsweisen, um Freigebigkeit zu üben. Das ist der Geist, aus dem heraus der Bodhisattva Freigebigkeit praktizieren sollte, ein Geist, der sich nicht auf Zeichen stützt. Warum? Wenn ein Bodhisattva Freigebigkeit praktiziert, ohne sich auf Zeichen zu stützen, so wird sein Glück und Verdienst unermesslich sein." (Abschnitt 4, S.13).

Zhuxiang: auch Faxiang (Prinzipiendenken, Sich-Klammern an bestimmte Konzepte) genannt. Es handelt sich um einen rigiden mechanistischen kognitiven Stil. Die bewusste Aufmerksamkeit ist ganz auf die kognitive Ebene fixiert, der Patient haftet am Konzeptuellen und Formalen auf der Bewusstseinsebene und sucht ständig mit Hilfe von Rationalisierungen nach pseudorationalen oder formalen Lösungen. Die Gefühlsebene – Emotionen, Affekte, Stimmungen etc. – vermag der Patient nicht einzubeziehen und mit anderen Faktoren seiner Erfahrung zu integrieren.
Zhu steht für zhuliu: an einem Ort verweilen, für zhiliu: feststecken, nicht weiterkommen, und im weiteren Sinne für zhizhu: haften, fixiert sein, verbissen festhalten, nicht loslassen können.

Xiang: bezeichnet die Formen und Sinnesqualitäten der Erscheinungswelt und andererseits den psychischen Niederschlag unseres Verhaltens und Erlebens in Form von Vorstellungen und Begriffen (Repräsentanzen). Insofern bezieht sich Zhuxiang insbesondere auf einen kognitiven Stil, der der äußeren Erscheinung oder bestimmten Konzepten verhaftet bleibt.

Der Autor dieses Artikels verwendet den Terminus Zhuxiang (geschrieben 驻相) synonym mit dem gleichlautenden Begriff Zhuxiang aus dem Diamant-Sutra (dort geschrieben 住相); man könnte allenfalls unterscheiden, dass der erste Begriff eher als Verb (haften, fixiert sein auf etwas), der zweite eher im substantivischen Sinne (Fixierung, Festhalten etc.) verwendet wird. Als Verb bezieht sich der Begriff stärker auf den Bereich der zwischenmenschlichen Interaktion in der Behandlung und im Erkenntnisprozess. Zu betonen ist auch, dass das Phänomen des Zhuxiang sich als ein bestimmter kognitiver Stil äußert.

Ein Beispiel: Jemand kommt auf der Straße an einem bemitleidenswerten Menschen vorbei, der um Almosen bettelt; er stellt fest, dass ziemlich viele andere Leute dem Bettler etwas geben; also findet er, er sollte dem Bettler auch ein bisschen Geld oder sonst etwas geben – sonst könnte man ja denken, es mangelte ihm an Mitgefühl. Er gibt also – wie gesagt: auf der großen Straße und vor den Leuten – diesem Bettler etwas Geld. Aber als er dann auf seinem abendlichen Heimweg in einer schmalen Gasse einen Betrunkenen torkeln und zu Boden fallen sieht, rennt er davon; erst nachdem er schon weit entfernt ist, stößt er einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus und entspannt sich wieder. Dem Hilflosen beizustehen oder etwa über die Notrufzentrale Hilfe herbeizurufen kommt ihm nicht in den Sinn.

Bei solchen aus dem Moment heraus entstehenden Verhaltensweisen sind uns die Motive für das eigene Handeln nicht unbedingt bewusst. Aber man erkennt an Beispielen wie dem angeführten, dass es nicht selten lediglich um den äußeren Anschein geht und sonst gar nichts. Es gibt in China ein Sprichwort, wenn man jemanden wegen seiner Scheinheiligkeit kritisiert, sagt man: "Der Soundso hat sich tief vor dem Buddha verbeugt, aber dabei hat er zweimal gefurzt, deswegen hat seine Frömmigkeit mehr Schlechtes als Gutes." Man sagt auch: "Dem Soundso macht es Freude, Gutes zu tun, sich vor dem Buddhaaltar als Wohltäter zu sehen, die religiösen Speisevorschriften einzuhalten, Weihrauchstäbchen abzubrennen, Sutren zu rezitieren und im Lotussitz zu meditieren. Aber das Gute, was er tut, ist nie ganz ungetrübt; in seinem normalen Alltagsleben streitet er um Kleinigkeiten, übervorteilt andere, sät Zwietracht, und am Ende ist er zu jemandem geworden, von dem man sagen kann: ‚Er ist ein herzensguter Mensch – aber hauptsächlich zu sich selbst...’"

Im Zen-Buddhismus werden die Schüler ermahnt, in der Praxis der Meditation auch auf eine weitere Manifestationsform des Haftens und Anklammerns (Zhuxiang) zu achten, nämlich
"Tag für Tag dem Buddha eifrig dienen, achten dass kein Stäubchen ihn beschmutzt".
Täglich mindestens einmal dem Buddha seine Reverenz zu erweisen, bedeutet ja nur, dass man der tönernen Buddhastatue, also dem Abbild, dem Zeichen, fromme Verehrung entgegenbringt. In Wirklichkeit geht es aber doch um die zu entwickelnde Buddhanatur im Herzen eines jeden Menschen, um die innere Vergegenwärtigung des Buddha, um eine tolerante und weitherzige Haltung, ein zur Einsicht gekommenes Bewusstsein. Daher sagt der Sechste Patriarch des Zen, Hui Neng:
"Drin im Herzen gibt es gar kein Ding, worauf sollt' ein Stäubchen Schmutz denn fallen?"
Damit ist gemeint, dass der Übende sich in seinem Buddha-Verständnis nicht auf die tönerne Buddhafigur, die ja nur ein Abbild ist, fixieren darf.

Andererseits wäre das beharrliche Streben nach Formlosigkeit und Sich-Freihalten-Wollen von jeglicher Zielsetzung im Grunde auch wiederum eine Form von Fixierung des Ichs, mit anderen Worten: eine Form von Anhaften. Ob man auf bestimmte Objekte, Farben und Formen der Erscheinungswelt fixiert ist oder umgekehrt auf das Leersein davon, beides ist gleichermaßen zu überwinden. Löst man sich von solchen inneren Fixierungen, dann gibt es auch keine Aufspaltung in Einzelvorstellungen mehr, alle Grenzen werden als illusionär durchschaut und relativiert, man ist nicht mehr einzelnen Erscheinungsformen und dualistischem Denken verhaftet.

Daher soll in der Praxis des Zen-Buddhismus der Schüler danach streben, beim Üben " sich nicht an Vorstellungen zu klammern" (zhuxiang), das heisst: er soll mit einer nicht auf bestimmte Ziele fixierten, nirgends verweilenden Einstellung üben. Er soll weder an bestimmte Dinge und Objekte der konkreten Erscheinungswelt noch an irgendwelche bewusst anzustrebenden "Tugenden" sein Herz hängen. Vielmehr soll er allem gegenüber eine unbefangene, nicht festhaltende, ruhige und unaufgeregte Einstellung – mit einem Wort: ein reines Herz bewahren.

So viel zum Begriff des Zhuxiang, zu dessen Verständnis der zenbuddhistisch geprägte kulturelle Hintergrund Chinas eine reiche Vielfalt von Konnotationen liefert.





2.3 Abwehrmechanismen bei Widerständen vom Typ Zhuxiang

Die im Verlaufe der Therapie auftauchenden Widerstände des Patienten sind gewissermaßen die äußere Erscheinungsform seiner Abwehrmechanismen. Diese gehören zu den Ichfunktionen und stellen gegen unbewusste innere Konflikte und Ängste eingesetze psychische Reaktionsmuster dar. Der Nutzen der Abwehr liegt in der dadurch erreichten Minderung von Ängsten, die aus belastenden Erfahrungen entstanden sind.

Bei Widerständen vom Typ Zhuxiang findet man hauptsächlich folgende Abwehrmechanismen: Intellektualisierung, Isolierung, Verschiebung, Dissoziation, Hemmung, Reaktionsbildung, Projektion und Regression etc. Viele dieser Reaktionstypen sind unreif und neurotisch. Häufig findet man auch typische Kombinationen vorherrschender Abwehrmechanismen, die stabile Charakterformationen bzw. im pathologischen Fall Persönlichkeitsstörungen bilden. Zu den auffallendsten Störungsmustern dieser Art gehören unter anderem Zwangsstörungen, Somatisierungsstörungen, paranoide und schizoide Störungen.



2.4 Zhuxiang-Widerstände aus der Sicht der Objektbeziehungstheorie

Innerhalb der Objektbeziehungs-Schule der Psychoanalyse steht das Denken von W.R.Bion dem östlichen Denken des Zen-Buddhismus wohl am nächsten. Er vertritt die Auffassung, tief im Unbewussten gebe es so etwas wie einen ewigen unfasslichen Wesenskern („O“), den man bei allem Bemühen nicht erkennen, sondern der man nur werden kann. Was der Analytiker als Beobachter wahrnimmt, sind Bion zufolge die Beziehungsmuster (links, wörtlich: Bindeglieder) zwischen Subjekt und Objekt; über die Beobachtung solcher Beziehungsmuster gelangt er dann zu einem Verständnis der inneren Welt. In der Psychotherapie manifestieren sich also diese links als Interaktionsformen zwischen Therapeut und Patient, in der psychischen Entwicklung des Patienten sind es die Subjekt-Objekt-Beziehungen, in denen er aufwächst und die ihn prägen.

Bion unterscheidet inhaltlich im Wesentlichen drei Grundtypen solcher Subjekt-Objekt-Beziehungen (links), nämlich Lieben, Hassen und (Er-)Kennen, wobei diese Grundtypen wiederum jeweils in einer äußerbaren und fühlbaren positiven Form (L, H, K) und in einer nicht äußerbaren und nicht fühlbaren negativ gekennzeichneten Form (-L, -H, -K) vorkommen. Bion meint, dass die Verwendung solcher Symbole zur Bezeichnung der verschiedenen Beziehungsgrundtypen in abstrahierter Form den Sinn dessen, was er darstellen will, am besten wiederzugeben vermag. In der Behandlungssituation besteht seiner Auffassung nach eine wesentliche Aufgabe des Therapeuten eben darin, dem Patienten zum Erkennen, Benennen und Verstehen seiner Objektbeziehungen zu verhelfen.

Als K-Funktion (Erkennen) fasst Bion sämtliche Erkenntnisprozesse zusammen, von der logisch-rationalen Analyse bis hin zum emotional-affektiven Gewahrwerden auf Grund von Körpersignalen. Im Zustand "minus K" (-K, Verkennen) fehlt den Äußerungen des Patienten die affektive Kommunikation, sein Problemverständnis bleibt der bewussten, rationalen Ebene verhaftet, während er auf der unbewussten Ebene abblockt, die Deutungsarbeit des Analytikers konterkariert und mittels -K die negativen Formen seiner Liebe (-L) und seines Hasses (-H) zu kaschieren versucht. So im ersten Fallbeispiel, als die Patientin sagt: "In so einem Moment fühle ich gar nichts!" Ein solches Nicht-Fühlen verdeckte weitgehend ihre Liebes- und Hassgefühle, die sie nicht klar und deutlich zu Bewusstsein kommen lassen konnte. Patienten im Zustand -K sind grundsätzlich durchaus zu Erkenntnisleistungen im Sinne der K-Funktion imstande, sie können diese lediglich aus Gründen des Widerstands im Moment nicht nutzen. Der hier auftauchende Zustand "minus K" entspricht weitgehend dem Zhu-xiang-Zustand, wie ihn der Zen-Buddhismus beschreibt.

Bion hat beobachtet, je ausgeprägtere Persönlichkeitsstörungen seine Patienten aufwiesen, desto gestörter waren auch ihre Objektbeziehungen im Sinne von -L, -H und -K. Der Schwerpunkt seiner Beobachtungen und seines Verständnisses liegt im nonverbalen Bereich der Therapeut-Patient-Beziehung. Deshalb ist sein Zugang besonders hilfreich bei der Behandlung von Patienten, die sich nicht äußern können; hier kann der Analytiker das Beziehungsgeschehen nutzen, um den Denkstil des Patienten klarer zu erfassen. Bion betrachtet nämlich die therapeutische Beziehung als eine "Behälter"-Beziehung, d.h. der Analytiker wird mit einem Behälter verglichen, der alles, was an Inhalten vom Patienten kommt, aufnimmt und weiterverarbeitet.

Es gibt natürlich auch Menschen von geringer Intelligenz und mangelndem Verständnisvermögen; hier handelt es sich nicht um Zhuxiang-Widerstände. Aus Bion'scher Sicht wären solche Phänomene nicht als "minus K", sondern eher als "null K" einzuordnen.

Melanie Klein kam durch ihre Forschungen an Hand von Kinderbeobachtungen zu der Auffassung, dass der Säugling in der Frühphase gegenüber seinen Triebwünschen und Triebobjekten eine ambivalent fixierte Einstellung zeigt, die sie als paranoide Position bezeichnet. Diese ambivalente Fixierung führt mittels schizoider Mechanismen zu einer Aufspaltung der Objektwelt des Säuglings in gute und böse (bzw. schlechte) Objekte. Der Grund für diese Spaltung liegt darin, dass der Säugling zu Anfang seine Erfahrungen mit anderen noch nicht zu Vorstellungen von ganzen Objekten (whole objects) integrieren kann, sondern nur Eindrücke von Teilaspekten des Objekts, also Teilobjekte (part objects) erfasst. Schon von Geburt an gibt es beim Säugling aber auch ein Bestreben nach Integration seines gesamten Seins und Wollens. Und andererseits können solche polarisierenden Spaltungen in Gut und Böse auch bis ins Erwachsenenalter fortbestehen. In diesem Fall ist der Patient dann nicht imstande, gute und böse/schlechte Teilobjekte und die mit ihnen verbundenen gegensätzlichen Gefühlszustände zu integrieren, und zeigt demzufolge in seinen Objektbeziehungen oft extrem gegensätzliche Tendenzen und Einstellungen. Mal ist er in einem ängstlich-angespannten Zustand, fühlt sich vom bösen Objekt bedroht, unterstellt anderen projektiv schlechte Absichten, meint, alle wollten ihm schaden, niemand mehr sei ihm gut gesonnen; ein andermal beherrscht ihn die Phantasie vom guten Objekt, Inbegriff grenzenloser Befriedigung, und er meint dieses perfekte Ideal in irgendeinem Menschen auf dieser Welt verkörpert zu finden. Da der Patient in seinem Schwarz-Weiß-Denken zwischen diesen so extrem entgegengesetzten Gefühlslagen nicht flexibel und realitätsgerecht modulieren kann, weil er sie nicht im Sinne von Ganzobjektbeziehungen zu integrieren vermag, kommt es bei solchen paranoid-schizoiden Zuständen leicht zu derart gegensätzlichen und rasch umschlagenden Einstellungen, die man im Sinne des Besprochenen als besonders extreme Form von „Verhaftung an Vorstellungsbilder“ (hier nämlich Idole und Feindbilder) verstehen kann.

Borderline-Patienten oder Psychotiker befinden sich die meiste Zeit in solchen unintegrierten paranoid-schizoiden Zuständen. Vom klinischen Bild her zeigt sich das z.B. daran, dass so ein Patient seinen Therapeuten hoch idealisiert, wenn er von ihm bekommen hat, was er wollte; sobald jedoch derselbe Therapeut nur einmal eine bestimmte Erwartung des Patienten enttäuscht, wird er von diesem gleich völlig entwertet. Einmal erscheint dem Patienten irgendein anderer Mensch als über die Maßen gut und bewundernswert, im nächsten Moment schlägt das um, und der andere ist für ihn jetzt nur noch "Scheiße".

Auf dem Niveau der paranoid-schizoiden Position zeigen die Patienten regelmäßig auch die typischen Zhuxiang-Merkmale, wie sie oben bereits beschrieben wurden.



2.5 Zhuxiang-Widerstände aus der Sicht der Lacan-Schule

Für Ferdinand de Saussure haben die Grundeinheiten der Sprache Zeichencharakter. Er sieht das sprachliche Zeichen als eine Verbindung zwischen einer begrifflichen Bedeutung, dem "Signifikat", mit einer Lautform, dem "Signifikanten". Dabei ist die Beziehung zwischen Signifikant und Signifikat nach Ansicht von Saussure konventioneller Art, d.h. quasi durch Übereinkunft der Sprechergemeinschaft geregelt. Mit anderen Worten: Zwischen der sprachlichen Form einer Äußerung und ihrer Bedeutung besteht Saussure zufolge keine wesensmäßige, naturnotwendige Verbindung, sondern nur eine konventionelle, willkürliche, er sagt: arbiträre. Das sprachliche Zeichen weist also für Saussure den Charakter der Arbitrarität auf. Auf Grund dieser Arbitrarität kann es nun zu einer Spaltung zwischen Signifikant und Signifikat, also zwischen der Ausdrucksform und ihrer Bedeutung kommen.

Jacques Lacan hat die Saussure'sche Ansicht von der relativen Unabhängigkeit oder sogar Spaltung zwischen Signifikant und Signifikat aufgegriffen und behauptet seinerseits einen Vorrang des Signifikanten. Dieser, so meint er, sei gegenüber dem Signifikat das dynamischere, kräftigere und dominierende Element; das Signifikat (die Ebene der Bedeutungen) gleitet gewissermaßen lautlos und beweglich unterhalb der Signifikanten-Ebene und widersteht erfolgreich allen Versuchen, es dingfest zu machen, ihm einen festen Ort und eindeutige Grenzen zuzuweisen. Die horizontale Trennungslinie zwischen Signifikant und Signifikat betont die relative Unabhängigkeit bzw. Spaltung zwischen den beiden Ebenen. In Lacans Beschreibung wird daraus im Falle der Spaltung eine Störung mit Widerstandsfunktion, die darin besteht, dass es zwischen den Ebenen von Signifikant und Signifikat sowie auch innerhalb der Signifikanten-Kette zu Brüchen (Spaltungen) kommt, an denen unbewusste Anteile des Subjekts zu Tage treten. Lacan zufolge ergibt sich aus der Arbitrarität des Zeichens zwangsläufig, dass es vom Signifikanten zum Signifikat, von sprachlichen Ausdrücken zu deren Bedeutung und ebenso vom menschlichen Verhalten zu dessen Bedeutungsimplikationen keinen feststehenden, kontextunabhängigen und selbstevidenten Übergang geben kann. In der Psychoanalyse muss man immer den Gesamtkontext des Verhaltens und Erlebens eines Menschen beachten, wenn man zu einer korrekten Deutung gelangen will, denn es gibt, wie gesagt, keine von vornherein eindeutig feststehende Bedeutung für jedes einzelne Element. Wir erfassen also unmittelbar immer nur einen Teil, nämlich den Signifikanten, d.h. die äußere Form und die daran gebundene konkrete Bedeutung; das Signifikat dagegen im Sinne der affektiven und konnotativen Bedeutungen liegt in den komplexen Strukturen des Unbewussten verborgen.

Patienten im Zhuxiang-Widerstand halten beharrlich an der illusionären Hoffnung fest, sie brauchten sich nur an den Signifikanten zu halten und hätten damit auch schon das Signifikat in seiner ganzen Bedeutungsfülle erfasst – wobei sie zwangsläufig übersehen, dass es eigentlich gerade die Lücken, die Bruchstellen in der Signifikantenkette sind, über die als Eintrittspforten man geradewegs zu den unbewussten Bedeutungen gelangen könnte. Indem diese Patienten sich an einzelne Signifikanten (anders gesagt: an einzelne Vorstellungen, an äußere Erscheinungsformen) klammern, hindern sie sich selbst daran, den ganzen Reichtum ihrer inneren unbewussten Gefühlswelt mit ihren vielfältigen assoziativen Bezügen zu erfahren.



2.6 Zhuxiang-Widerstände aus der Sicht der psychoanalytischen Selbst-Psychologie

Die Situation des Zhuxiang kann man auch als narzisstischen Zustand verstehen. In der Situation der Behandlung äußert sich das in der Weise, dass der Patient in Bezug auf seine Triebziele weitgehend an das eigene Selbst fixiert ist und diese nur schwer von sich zu lösen und anderen Objekten zuzuwenden vermag. Seine libidinösen Besetzungen gelten überwiegend der eigenen Person; zu einem objektiven Verständnis der Realität anderer ist er nicht in der Lage; seine Wahrnehmung anderer Menschen wird kaum abgegrenzt von seinen eigenen Projektionen; Selbstidealisierung und Geltungsbedürfnis sind übermäßig ausgeprägt. Insofern entspricht diese Haltung auch einer schwerwiegenden Form dessen, was im Buddhismus als "Ich-Verhaftung" bezeichnet wird. Auch der Begriff "Eigensinn" gehört in diesen Zusammenhang.



2.7 Widerstände vom Typ Zhuxiang aus dem Blickwinkel der Kognitiven Psychologie
Aus der Sicht der kognitiven Psychologie handelt es sich beim Zhuxiang-Modus um eine Verstrickung in objektbezogene kognitive Prozesse, während die Ebene der subjektiven konnotativen Metakognitionen zu fehlen scheint bzw. nicht integriert ist. Im Laufe der Behandlung ändert sich der kognitive Stil, und zwar von einem eingeengten "Prinzipiendenken" zu einem offeneren Denk- und Wahrnehmungsstil, der sowohl objektbezogenes Verstehen als auch emotionale Wahrnehmung einschließt. Dabei handelt es sich jedoch nicht einfach um den Übergang vom prinzipiengebundenen zu einem nicht mehr prinzipiengebundenen kognitiven Stil, denn im letzteren Falle würde die Nicht-Prinzipiengebundenheit zum neuen Prinzip, d.h. es würden nur die leitenden Prinzipien ausgetauscht, aber der kognitive Stil bliebe weiterhin prinzipiengebunden und insofern immer noch eine Form von „Verhaftung an Zielvorstellungen“ (Zhuxiang). Wir sollten daher besonders im Hinblick auf die metakognitive Ebene sorgfältig auf die funktionellen Auswirkungen von Änderungen des kognitiven Stils in der Therapie achten.



3. Die Rolle des Psychoanalytikers und die des Zen-Meisters

3.1 Die Haltung des Zen-Meisters

Nach zen-buddhistischem Verständnis gibt es zwei verschiedene Auffassungen, was die Haltung des Zen-Meisters in der Praxis der Unterweisung betrifft:

3.1.1 Die nicht-methodengebundene Unterweisung

Diese Haltung wurde von Hui Neng, dem Sechsten Patriarchen des Zen-Buddhismus vertreten und kommt in seinem folgenden Gedicht (aus dem berühmten Podiumssutra) zum Ausdruck:

Erleuchtung kommt auch ohne Bodhi-Baum,
Der klare Spiegel ist auch keine Basis.
Wo nichts von Dauer ist, kein einzig Ding,
Worauf denn könnte Staub sich störend legen?
(nach W.Gundert, Bi-Yän-Lu, Bd.1, S.144, leicht verändert)

Er vertritt in seinem Vorgehen den direkten Zugang zur innersten Buddhanatur des Menschen ohne Rückgriff auf spezielle Methoden und Theorien darüber, wie der Schüler zur Erkenntnis geführt werden soll.

3.1.2 Die methodische Unterweisung

Das folgende Gedicht von Hui Nengs älterem Mitschüler Shen Xiu (auf welches Hui Neng mit dem oben zitierten Gedicht antwortete) stellt sinnbildlich ein eher schrittweises Vorgehen dar, das dann auch methodengeleitet sein kann:

Gleicht der Leib dem Baume der Erleuchtung,
so der Geist dem klaren Spiegelständer.
Wisch ihn fleißig immer wieder rein!
Lass kein Stäubchen Unrat darauf sein!
(nach W.Gundert, Bi-Yän-Lu, Bd.1, S.143 f., leicht verändert)

Die methodische Unterweisung geschieht z.B. auf der Grundlage von Gong'an (japanisch Koan, Präzedenzfälle), Huatou (systematische Erörterung bestimmter Themen) oder Shuxi (eine Art Yoga mit Konzentration auf die Atmung).

Es werden „fünf Stufen“ der Erleuchtung beschrieben: die man als Grade der erreichten Erleuchtung des Schülers oder ebenso als Anweisungen für das methodische Vorgehen des Lehrers verstehen kann:
– das Relative im Absoluten,
– das Absolute im Relativen,
– aus der Mitte des Absoluten kommend,
– in die Mitte von beidem (Relativem und Absolutem) eintretend,
– in der Mitte von beidem (Relativem und Absolutem) angekommen.

Von späteren Meistern wurde eine Folge von "sechs Tugenden" bzw. "Stufen der Vollkommenheit" aufgestellt, an denen ebenfalls der Grad des Fortschritts in der Praxis der Meditation bemessen wird: Dana (Freigebigkeit), Shila (Sittlichkeit), Kshanti (Geduld), Virya (Tatkraft), Dhyana (Konzentration) und schließlich Prajna (Weisheit).

Der von der Psychoanalyse angestrebte Idealzustand weist viele Parallelen zu den Zielen des Zen-Buddhismus auf.



3.2 Die Haltung des Psychoanalytikers

In der Psychoanalyse werden in bezug auf die Haltung des Therapeuten ebenfalls zwei verschiedene Auffassungen vertreten:

· Der Therapeut nimmt überwiegend eine nicht-deutende Haltung ein.
In der Lacan-Schule ist der Analytiker überwiegend schweigender und respektvoller Zuhörer und gibt selten, wenn überhaupt, Deutungen.

· Der Therapeut sieht seine Aufgabe im Deuten des Geschehens.
Freuds klassische psychoanalytische Auffassung: Der Analytiker ist außenstehender Beobachter, der Patient ist Objekt der Beobachtung. Freud befasst sich noch nicht eingehender mit der Funktion des Analytikers als Teilnehmer am psychoanalytischen Prozess.
S.Ferenczi zufolge soll der Analytiker den Patienten lieben; dabei geht es um eine Liebe, Zuwendung und Akzeptanz, wie der Patient sie in seiner Kindheit gebraucht, aber nie erfahren hat – nicht um sexuelle Liebe.
H.S.Sullivan sieht den Analytiker als teilnehmenden Beobachter, E.Fromm eher als beobachtenden Teilnehmer.
Für Melanie Klein wird der Analytiker zum Objekt der projektiven Identifizierungen des Patienten.

· Zwischen deutender und nicht-deutender Haltung steht
W.R.Bion: Er sieht den Analytiker als 'Behälter' (container), der jede emotionale Äußerung des Patienten aufnimmt , verarbeitet und ihm in integrierbarer Form wieder zugänglich macht. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Deutung von Gesamtkonstellationen, weniger von einzelnen Motiven oder sonstigen Aspekten.



4. Zhuxiang-Phänomene beim Therapeuten

4.1 Äußerungsformen von Zhuxiang-Phänomenen beim Therapeuten

4.1.1 Übermäßige Fokussierung auf Symptome und konkrete belastende Lebensereignisse – gemeinsames Zhuxiang zwischen Patient und Therapeut
Therapeut und Patient diskutieren abgehoben miteinander auf der Ebene des rationalen Bewußtseins und hängen in konkreten Problemen fest, während die hinter den Problemen verborgenen inneren Zusammenhänge – zwischen Symptomen und Konflikten, zwischen Verhaltensweisen und Persönlichkeit eines Menschen, zwischen Persönlichkeitsstruktur und Entwicklung – außer Acht bleiben, weil man auf formale Details oder äußere Verhaltensweisen fixiert ist, ohne Kontakt zum Herzschlag des Geschehens, ohne Gespür für die körperliche Ebene.

4.1.2 Theorie und Technik nehmen überhand – Einsatz des Intellekts gegen Zhuxiang Der Therapeut gerät ins Intellektualisieren, nimmt seine Theorie zur Richtschnur und technische Tricks als Hilfsmittel, betrachtet es als sein Ziel, ja seine Mission, dafür zu sorgen, dass beim Patienten eine Änderung eintritt; die Entwicklung des therapeutischen Prozesses wird wie eine mathematische Gleichung behandelt, die man Schritt für Schritt bis zur Lösung abarbeiten könnte. Dabei wird die persönliche Wahrheit des Patienten, seine wirkliche innere Erfahrung nicht gesehen, er verschwindet als Subjekt und wird zu einem bloßen Faktor in der Problemlösungs-Gleichung des Therapeuten. Dies ist ein auf der Bewußtseinsoberfläche verharrendes, antitherapeutisches, einseitig kognitives Schema, das sich schädlich auswirken muss.

4.1.3 „Therapeutischer Ehrgeiz“: den Patienten "zu ernst und verbissen" wahrnehmen
und ändern wollen – Zhuxiang gegen Zhuxiang

Während der Therapeut sich mit dem Zhuxiang-Widerstand des Patienten abmüht, wird ihm plötzlich bewusst, dass er sich mit dem Patienten in einen intellektuellen Machtkampf verstrickt hat und dabei die nötige gelassene, natürliche, die Gefühlsebene des Patienten ansprechende und ihn als Patienten ernstnehmende therapeutische Haltung zu verlieren droht.

Dies geschieht vor allem dann, wenn der Therapeut darunter leidet, dass vom Patienten auf der Gefühlsebene keine Reaktion kommt, und er die Gefühle quasi erzwingen will. Ein solches Überengagement, um den Patienten zu emotionalen Reaktionen zu provozieren, bewirkt allenfalls, dass zwar Gefühle gezeigt werden – aber das sind gar nicht die eigenen spontanen selbst empfundenen Gefühle des Patienten, sondern nur kopflastige, künstlich hervorgebrachte, manipulierte Pseudo-Gefühle. Wenn dieses Problem des Patienten auch noch mit einer tieferreichenden emotionalen Kommunikationsstörung verbunden ist, wird er erst recht mit sehr zwiespältigen Gefühlen auf die Bemühungen des Therapeuten reagieren und womöglich denken, dem Therapeuten sei es nur darum zu tun, seine eigene Kompetenz und sein großes Engagement zu demonstrieren; um ihn dagegen – den Patienten – gehe es in Wirklichkeit gar nicht.



4.2 Ursachen für Zhuxiang-Haltungen des Therapeuten

4.2.1 Auswirkungen projektiver Identifizierung
Unter dem Einfluss projektiver Identifizierungen projiziert der Patient seine Verfassung auf den Therapeuten und nutzt gleichzeitig seine Identifizierung mit ihm aus, um die Behandlungssituation wirksam zu kontrollieren. In Therapien mit Patienten, die die typischen Merkmale des Zhuxiang-Widerstands aufweisen, kann es dazu kommen, dass der Therapeut sich unversehens mit der Projektion des Zhuxiang-Zustandes durch den Patienten identifiziert. Dadurch entsteht in ihm selbst eine unbewusste Rollenidentifizierung mit einer Idealfigur des Patienten. Er wird z.B. zu einem heldenhaften General, der an der Spitze seiner Reiterarmee losstürmt, um den von seinen Zhuxiang-Widerständen umzingelten Patienten zu befreien. Er durchbricht einen Belagerungsring nach dem anderen, aber trifft immer wieder auf neue Widerstände und muss auch feststellen, dass sich hinter ihm der Ring jedesmal rasch wieder schließt. Endlich hält der Therapeut inne und schaut ratlos um sich: Freund und Feind sind sich schon so ähnlich geworden, dass er gar nicht mehr zu unterscheiden vermag, ob er noch mit den Schwierigkeiten des Patienten kämpft oder eher mit seinen eigenen.
Projektive Identifizierungen können sich auch dahingehend auswirken, dass ein Therapeut seinen Patienten mit aller Macht dazu bringen will, ein bestimmtes Verständnis seiner Probleme von ihm anzunehmen, das dann durch weitere Deutungen und Analysen auf der Bewusstseinsebene untermauert wird. Dahinter steht meist das Bedürfnis des Analytikers, sein vertrautes Wissen durch eine starke Theorie abzustützen, in die jetzt alles hineingezwungen werden soll, oder auch eine Identifizierung des Therapeuten mit dem nicht minder schädlichen Anspruch, möglichst wissenschaftlich zu erscheinen. Die Verhaftung (Zhuxiang) des Therapeuten an derartige Bedürfnisse kann leicht dazu führen, dass er – oft ohne es zu merken – allzu bereitwillig den Erwartungen der Leute im Sinne bestimmter Vorstellungen von Wissenschaftlichkeit oder modischer Therapieformen und Deutungsmuster entgegenkommt. Manche Therapeuten meinen wohl, sie könnten durch Verwendung bestimmter physikalischer Konzepte und mathematischer Formeln unser Verständnis innerer Gefühlszustände radikal umstürzen und berechenbar machen. Vielleicht sind solche Anpassungen an das Wissenschaftlichkeitsideal tatsächlich ein Fortschritt im Sinne interdisziplinärer Integration; vielleicht sind sie aber auch nur individuelle Abweichungen, etwa vergleichbar mit Kunststilen.

4.2.2 Auswirkungen der Gegenübertragung
In einer Psychotherapie werden auch beim Therapeuten bestimmte auf den Patienten gerichtete emotionale Reaktionen angeregt, ausgelöst teils durch die Interaktion, teils aber auch durch eigene Übertragungstendenzen des Therapeuten infolge bestimmter Beziehungserfahrungen, die im Verlaufe seiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung ihre Spuren hinterlassen haben. Handelt es sich um interaktionelle Reaktionen auf Übertragungsangebote des Patienten, so kann sich daraus eine komplementäre Gegenübertragung entwickeln, wobei der Therapeut unversehens die Rolle eines wichtigen früheren Objekts des Patienten übernimmt und dessen Einstellungen und Gefühle empathisch reproduziert. Falls der Therapeut so eine Entwicklung erkennt und analysiert, stellt er häufig fest, dass dieses typische Gegenübertragungsmuster einen doppelten Ursprung hat: auf seiner Seite entspringt es oft narzisstischen Bestätigungswünschen, auf den Patienten bezogen lässt es sich auf eine projektive Rollenzuweisung zurückführen. Gerade diese Art von Gegenübertragungsreaktion kann, wenn der Therapeut darauf fixiert ist und sie nicht erkennt, Widerstände provozieren. Dann wird er für den Patienten zum Beispiel wie eine Mutter, die ihr Baby partout zum Essen bewegen will. Wenn es keinen rechten Appetit hat und nicht essen mag, hält die Mutter Teller und Löffel in sein Gesichtsfeld, singt ihm vielleicht etwas vor, wiegt sich hin und her, schneidet ulkige Grimassen, versucht das Baby aufzuheitern und will es auf jede erdenkliche Weise dazu bringen, dass es wenigstens ein Häppchen annimmt. Und ist es ihr dann gelungen, dem Kind einen Löffelvoll einzuflößen und sie freut sich schon über ihren Sieg, da prustet das Baby ihr alles wieder ins Gesicht. Einen Moment lang ist die Mutter enttäuscht und entmutigt oder auch wütend, aber das traut sie sich nicht zu zeigen, sondern unterdrückt ihren Ärger, lächelt und sagt: "Braves Kind – und jetzt noch einen Löffel!"

5. Das Durcharbeiten von Zhuxiang-Widerständen in der psychoanalytischen Behandlung – und im Zen-Buddhismus

5.1 Die Abwehr verstehen und deuten
Da immer auch der Wert der Abwehr als stabilisierendes Element im Persönlichkeitsgefüge des Patienten zu respektieren ist, muss vor jeder Deutung der jeweils abgewehrten Inhalte zunächst die Abwehr als solche dem Patienten aufgezeigt werden, so wie sie sich als Widerstand gegen den Einfluss der Behandlung manifestiert. Nehmen wir z.B. einen Patienten, der unter der Wirkung der Abwehr über die eigentlichen Gründe seiner Angst nicht offen sprechen kann, sondern stattdessen die ganze Zeit auf der Ebene rationaler und formaler Überlegungen verharrt. Als der Therapeut ihm jetzt vorschlägt, alles, was an Gedanken, Vorstellungen, Gefühlsregungen in ihm auftaucht, direkt und möglichst ungefiltert auszusprechen, fragt der Patient zurück: "Und wenn ich Ihnen wirklich alles erzähle, was mir durch den Kopf geht – werde ich dann nicht völlig durchschaubar?“ Allein schon die Frageform verrät uns die Sorge des Patienten oder genauer: seine längst zum habituellen Reaktionsmuster gewordene Besorgtheit und die Art, wie seine Abwehrmechanismen sich in der Behandlungssituation zum Widerstand formieren. Um im Bild zu bleiben – wenn sich dieses in seinen Sätzen immer mitschwingende Fragezeichen eines Tages zum Ausrufungszeichen verändert, wird die Therapie einen großen Schritt vorangekommen sein, aber zunächst muss der Therapeut diese Eigenart des Patienten respektieren und falls nötig ihm helfen, seine Art des Umgangs mit der Behandlungssituation besser zu verstehen.

In unserem ersten Fallbeispiel (1.1

5.2 Gefühle körperlich spüren, mit dem Patienten neue Bilder und Phantasien
entwickeln, in einen Bilderdialog eintreten
Der eigene Körper und das Gespür für Gefühle und Stimmungen sind das wesentliche Instrument des Therapeuten, um die Schwierigkeiten des Patienten von innen her nachempfinden und verstehen zu können, aus welchem Bereich sie kommen. Daher stellt er Theorien und Konzepte eher in den Hintergrund und nimmt eine natürliche, ungezwungene Haltung ein, eine warmherzig offene, einfühlsam mitschwingende, ausgeglichene und gleichwohl klarsichtige und auf Erkenntnis hin orientierte Einstellung; er zeigt Anteilnahme an den vom Patienten geschilderten Umständen und seinen Anliegen und bestimmt das Schrittempo des therapeutischen Vorgehens an Hand des Ichfunktionsniveaus der Patienten. Er versetzt sich in eine Haltung gleichschwebender Aufmerksamkeit, sein Bewusstsein offen für freie Assoziationen. Während er vorüberziehen lässt, was immer dem Patienten einfällt oder ihn anrührt, entsteht in seinem eigenen Innern etwa ein Bild, eine Szene, eine ganze Abfolge von Szenen, eine Geschichte. Diese Bildgedanken werden nun vom Analytiker – nachträglich – mit Hilfe seiner theoretischen Begriffe zu einem Verständniskonzept geordnet, das er dem Patienten in Form von Deutungen, Bildern oder sonstigen Narrativen zugänglich macht, um ihm ein vertieftes Verständnis seiner inneren Erlebniswelt zu vermitteln.

Ein Patient, dessen Psychotherapie bereits seit einem Jahr lief, pflegte regelmäßig in jeder Sitzung, sobald er dem Therapeuten seine Situation geschildert hatte, den gleichen Satz anzufügen: "Ich weiß jetzt nicht – habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?", wobei er mit vagem, verschleiertem Blick dringend auf eine Antwort zu warten schien. Der Therapeut sagte: "Mir kommt es gerade so vor, als sähe ich da ein Baby in seinen Windeln vor mir und hörte es bitterlich weinen. Es weint immer weiter, offenbar schreit es nach seiner Mutter und will ihr sagen: 'Mama, ich hab' Angst – weißt du, Mama? Ich hab' Angst!'" Der Patient horchte auf, Tränen in seinen Augen; er nickte und sagte, zum Therapeuten gewandt: "Jetzt weiß ich – Sie haben mich verstanden."

5.3 Eigene Zhuxiang-Tendenzen und Gegenübertragungen erkennen und verstehen
Der Therapeut entwickelt in der Behandlungssituation zunächst ein strukturelles Konzept der vorliegenden Störung, das ihm einen gewissen theoretischen Verständnisrahmen liefert. Allerdings ist dieses strukturtheoretische Konzept keineswegs allumfassend und unfehlbar, sondern es enthält weiträumige Lücken. So bleibt viel Platz für die bewegte Vielfalt menschlichen Lebens.

Auch wenn der Analytiker bzw. Therapeut die Problematik seiner Patienten mit psychoanalytischen Strukturkonzepten recht gut verstehen kann, lässt sich das wirkliche Leben eines Menschen doch niemals vollständig mit dem Netz theoretischer Konstrukte einfangen. Vertraut ein Therapeut immer nur auf seine Theorien, so gerät er leicht in eine Verfassung, wie wir sie als „Verhaftung an Vorstellungsbilder“ (Zhuxiang) oder „Ich-Verhaftung“ (Woxiang) beschrieben haben. Dabei handelt es sich um einen narzisstischen Zustand mit paranoiden und schizoiden Zügen.

Ist er dagegen in der Lage, Zhuxiang-Tendenzen jeder Art bei sich selbst deutlich zu erkennen und zu verstehen, dann wird er auch beim Patienten die Anzeichen für das Auftauchen und Bestehen solcher Tendenzen scharfsichtig wahrzunehmen und erkennen können. Das gilt beispielsweise für projektive Identifikationen: Einerseits können sie dem Therapeuten helfen, sich noch tiefer in den Patienten einzufühlen und dessen innere Welt mitzuerleben, andererseits können sie aber auch dazu führen, dass der Therapeut unversehens die Distanz verliert und mit dem Patienten spiegelbildlich genau so umgeht wie dieser mit ihm, also die Übertragung des Patienten mitagiert. Erkennt er jedoch bei solchen Gelegenheiten frühzeitig genug, was hier abläuft, so kann er verhindern, dass eine solche Situation zum Widerstand wird, ja er kann sie unter Umständen sogar für den Fortschritt der Therapie nutzen.

5.4 Das Gong'an (japanisch Koan) als eine Form metaphorischer Interpretation

Zwischenmenschliche Beziehungen setzen gegenseitiges Verstehen voraus, wobei dieses Verstehen von zweierlei Art ist. Zum einen gibt es die explizite Verständigung über bestimmte Ansichten oder Sachverhalte: Wenn ich mich z.B. bemühe, das, was ich meine, möglichst präzise und treffend in Worte zu fassen, und ein anderer hört mir zu oder liest, was ich geschrieben habe, ist ganz meiner Meinung und findet, man hätte dies gar nicht besser formulieren können – dann kann man sagen, hier hat eine explizite Verständigung zwischen mir und dem anderen stattgefunden. Die zweite Form ist die implizite Verständigung mittels Analogien: Wenn ich das, was ich meine, in metaphorischer Form, z.B. in einer bildhaften Formulierung zum Ausdruck bringe, und der andere hört mir zu oder liest, was ich geschrieben habe, und drückt dann seinerseits in einer anderen Metapher aus, welche Anmutungen meine Äußerung in ihm ausgelöst hat, und ich nehme das auf und empfinde seinen und meinen metaphorischen Ausdruck als gleichermaßen zutreffend für das, was ich gemeint habe, dann hat zwischen mir und dem anderen eine implizite Verständigung (mittels Analogien oder Metaphern) stattgefunden.

In der zwischenmenschlichen Kommunikation treten diese beiden Arten von Verständigung meist zusammen auf; sie können sich gegenseitig fördern und unterstützen, aber ebenso auch behindern. Verständigung bedeutet, zwischen Menschen und ihren Lebensverhältnissen, dem sozialen Hintergrund und der kulturellen Tradition sinnerfüllte Beziehungen aufzubauen. Andere Menschen verstehen heißt immer auch sich selbst verstehen. In der Psychotherapie formuliert der Therapeut sein Verständnis in Form von Deutungen.

In der zenbuddhistischen Unterweisung gibt es eine Methode, die auf metaphorischem Wege bzw. durch Verwendung von Analogien tiefe Einsichten vermitteln soll: das sogenannte Gong’an (japanisch Koan). Das Gong’an ist eine kurze Geschichte, eine Art Prüfungsfrage, für die es keine konkrete Lösung gibt, die aber weitreichende Sinnbezüge enthält. Versucht der Zen-Schüler die vorgelegte Frage im Rahmen logischen Denkens zu ergründen, was nicht möglich ist, so gerät er in einen Engpass, der den Intellekt blockiert; gerade dadurch kann jetzt der Weg frei werden zu einem metaphorischen Erkennen, das zu plötzlicher Erleuchtung und tiefem Verstehen führt.

Die Verwendung solcher Gong’an kann auch in der Psychotherapie hilfreich sein, um die Bewusstwerdung bestimmter unbewusster Inhalte zu fördern. Solche Hilfsmittel sind ja wertvolle Ressourcen aus jahrhundertealter Erfahrung, die wir mit Gewinn nutzen können. Bei der Anwendung metaphorischer Deutungen vom Stil des Gong’an wird es zwar manchmal unumgänglich sein, dass der Therapeut mit Hinweisen zur Lösung nachhilft; sie sind jedoch oft ein sehr geeignetes Mittel, um den Patienten ganz eigenständige profunde Selbsterkenntnisse zu ermöglichen, die dann weiter durchgearbeitet werden können.

Wie schon Freud betont hat, sind Theorie und Praxis gar nicht voneinander zu trennen, und ebenso ist der Prozess der Selbsterkenntnis unausweichlich mit gleichzeitiger Veränderung unserer selbst verbunden.

Ein alter Professor, der die Würde seines Berufsstandes immer sehr ernst genommen hatte, war für seine gewissenhaften Forschungsarbeiten bekannt und hatte überall Schüler. Als seine Pensionierung nahte, bat er einen seiner vertrautesten Schüler, auf den er große Hoffnungen setzte, zu sich zum Gespräch. Es gab da nämlich etwas, das ihm überhaupt nicht passte: Der alte Professor hatte eines Tages erfahren, dass sein vertrauter Schüler eine Animierdame heiraten wollte. Er fand es absurd, dass ein Mann mit derart hervorragenden Qualitäten es fertigbrachte, sich mit so einer Dame zusammenzutun; für ihn war das einfach unvorstellbar, nicht zu begreifen. Er dachte zurück, wieviele Schüler er in seiner Laufbahn hervorgebracht hatte, alle mit sehr guten Aussichten auf eine hervorragende Karriere. Und dass ausgerechnet sein vertrautester Schüler jetzt so etwas Absurdes vorhatte, traf ihn zutiefst und war für ihn eine unerträgliche Schande; er fühlte sich dafür verantwortlich, dass er nicht imstande gewesen war, seinen Schüler ordentlich zu erziehen. Deswegen hatte er diesen Schüler jetzt zum Gespräch gebeten. Er redete ihm also inständig ins Gewissen und drängte ihn, seinen Entschluss zu überdenken. Der Schüler hörte sich die Ermahnungen seines Professors an und ließ sich schließlich mehr oder weniger umstimmen. Aber nicht lange danach stellte sich heraus, dass er den Kontakt zu der Frau nach wie vor aufrechterhielt. Der Professor machte ihm erneut heftige Vorhaltungen, mühte sich stundenlang ab, ihn zu überzeugen – mit dem Ergebnis, dass der Schüler schließlich das Gespräch abbrach und wütend davonging. In dem Moment sank der alte Mann vor Aufregung ohnmächtig zu Boden; man brachte ihn in großer Sorge ins Krankenhaus. Von da an litt er mehrere Monate lang an einer schweren Depression mit Schlaflosigkeit und Angst, quälender Ruhelosigkeit und innerer Anspannung. Man versuchte es mit unterschiedlichen Psychopharmaka, ohne dass sein Zustand sich besserte. Man redete gütlich auf ihn ein, er müsse sich nun endlich mit dem Unabwendbaren abfinden, aber auch das konnte ihn nicht umstimmen, denn dasselbe hatte er sich ja auch selbst immer wieder vorgehalten.

Der Therapeut ließ ihn sich auf die Couch im Behandlungsraum hinlegen und sich entspannen, dann erzählte er ihm eine Geschichte:

„Es war einmal ein gläubiger Buddhist, dessen größter Wunsch im Leben war es, eines Tages in die Heilige Stadt zu gelangen und dort einmal im Großen Tempel den Buddhistischen Patriarchen seine Verehrung darzubringen, das war sein höchstes Lebensziel. Eines Tages bekräftigte er vor der Buddhastatue seinen Entschluss zu einer Pilgerfahrt, verabschiedete sich von seinen Angehörigen und Freunden und brach auf. Dies war keine gewöhnliche Pilgerreise, sondern ein außerordentlich langer und entbehrungsreicher Weg durch viele Mühsale und Strapazen, da er die ganze Strecke hindurch bei jedem zweiten Schritt niederkniete und sich der Länge nach zu Boden warf, um damit dem Buddha seine besondere Verehrung zu erweisen. Er musste so den ganzen Weg mit seiner Körperlänge abmessen, bis er sein Ziel erreicht hatte. Nur auf diese Weise, so glaubte er, könne er hinreichend seine Frömmigkeit zum Ausdruck bringen. Er war standhaft und unerschütterlich in seinem Glauben.

Zwei Jahre schon war er unterwegs, da gelangte er endlich zur Heiligen Stadt. In seinem Herzen erfüllte ihn eine überströmende Freude, dass sein lange gehegter Wunsch nun in Erfüllung gehen würde und er kurz davor stand, seinen heiligsten Buddha und die heiligen Patriarchen von Angesicht zu sehen und ihnen zu huldigen, wie es sein innigstes Verlangen gewesen war. Endlich winkte ihm der verdiente Lohn für die ganze Mühsal und Erschöpfung seiner langen Pilgerschaft. Er empfand freudige Erregung und Stolz, Schritt für Schritt näherte er sich der Buddhastatue, sein Innerstes erfüllt von erhabensten Gefühlen, ein letztes Mal kniete er nieder und beugte sich bis auf den Boden hinab – da hörte er laut und deutlich ein peinliches Geräusch: Er hatte im Bücken unversehens einen Furz gelassen..."

Als die Geschichte an diesem Punkt angekommen war, hielt der Therapeut inne; im Zimmer breitete sich Stille aus, nichts rührte sich... Nach langer Zeit fragte der Therapeut: „Wie sagt man, wenn jemand bei einem buddhistischen Fest nicht ganz die Form achtet?“ Der alte Mann schwieg, schließlich antwortete er: "Buddha wird ihm bestimmt keinen Vorwurf daraus machen."



6. Was könnten Zen-Buddhismus und Psychoanalyse voneinander lernen?

Die Psychoanalyse ist aus dem Humanismus und Rationalismus des Abendlandes hervorgegangen. Sie ist eine besondere Art von experimenteller und zugleich verstehender Psychologie. Durch eine eingehende Untersuchung der individuellen seelischen Kindheitsentwicklung und Aufdeckung früher prägender Erfahrungen soll dem Patienten geholfen werden, ehemals Verdrängtes zu nachträglichen Lernerfahrungen und Selbstveränderungen zu nutzen. Im Prozess der psychoanalytischen Psychotherapie wird der Patient durch das Bewusstwerden des zuvor Unbewussten befähigt, Schritt für Schritt seine innersten Konflikte und Ängste ins Auge zu fassen, seine geheimen Phantasien gegenüber anderen Menschen zu erkennen und so auch seine persönlichkeitstypischen Wahrnehmungsverzerrungen und Fehlhaltungen seiner Umwelt gegenüber zu korrigieren. Ziel der psychoanalytischen Psychotherapie ist es, die inneren Konflikte und Ängste des Patienten zu lösen oder zumindest abzumildern, seine Defizite soweit möglich auszugleichen, um dadurch seine seelische Verfassung zu stabilisieren und ihn zu einem lebensfroheren Menschen werden zu lassen. Dies ist gleichbedeutend mit den mittleren der oben (3.1) erwähnten „sechs Stufen der Vollkommenheit“ auf dem zenbuddhistischen Erkenntnisweg. Im Behandlungsprozess der psychoanalytischen Psychotherapie ist der Therapeut ebenso wie der Patient zugleich Teilnehmer, Beobachter, Betroffener und Deutender des Geschehens.

Der Zen-Buddhismus ist hervorgegangen aus indischer Rationalität und Abstraktheit, gepaart mit der Konkretheit und dem Realismus Chinas. Er ist eine Theorie und Praxis, die ganz auf das Erwachen von Erkenntnis (Kaiwu, offene Weite des Bewusstseins) ausgerichtet ist. Kaiwu wird beschrieben als ein Zustand, in dem man Leben und Tod bis auf den Grund durchschaut, über Gewinn und Verlust erhaben ist, sich selbst mit den Objekten der Umwelt als eine Ganzheit erlebt und diese seelische Verfassung auch im gewöhnlichen Alltag aufrechterhalten kann. Man könnte sie beschreiben als einen Zustand von Natürlichkeit verbunden mit Realitätssinn, Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und innerer Freude. Der zur Erkenntnis Erwachende nimmt sich nicht selbst zum Objekt, das es zu begreifen und festzuhalten gälte, vielmehr wird sein Geist ganz leer und weit, so dass er alles umfassen kann. Dieses Erkennen ist auch nichts Abnormes, keine Bewusstseinsspaltung, kein Realitätsverlust, keine Geistesabwesenheit, auch kein narzisstischer Erlebnismodus, wie er bei religiösen Phänomenen ja auch manchmal vorkommt. Was man in echter Erkenntnis erreicht und erlebt, ist etwas Wirkliches, d.h. man erlangt so etwas wie eine vollständige "konstruktive Neuorientierung". Andererseits erkennt man falsche oder Pseudo-Erkenntnis an Merkmalen von Verblendung (Verhaftung an Vorstellungsbilder, Zhuxiang) oder an einer psychotischen Qualität.

Bei der Einführung der psychoanalytischen Psychotherapie in China stellt sich unvermeidlich die Frage, wie die Psychoanalyse sich mit der bodenständigen chinesischen Kultur verbinden kann. Hierzu ist sicherlich ein langer Prozess notwendig, der unser aufrichtiges Bemühen erfordern wird – in der Praxis der Psychotherapie, im schrittweisen Lernen aus Erfahrung, im Verstehen, Erkennen und Durchdringen der Zusammenhänge.

Wenn in der Psychotherapie Widerstände oder im zenbuddhistischen Erkenntnisprozess Hindernisse von der Art des Zhuxiang auftreten, dreht es sich in beiden Fällen darum zu verstehen, worin der Kern der Schwierigkeiten liegt und warum diese gerade jetzt auftauchen. Darin sehen wir eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen beiden Verfahren. Eine weitere Vertiefung des Vergleichs zwischen den beiden Aspekten erweist sich möglicherweise für beide Seiten als sehr aufschlussreich. "Der Stein vom Berg könnt' Jade sein." Psychoanalytisches Verständnis könnte dem Zen-Meditierenden helfen, die ihm begegnenden "Dämonen" zu meiden und falsche Erleuchtungen von echten zu unterscheiden, es könnte auch dazu beitragen, die zentralen Ziele im zenbuddhistischen Erkenntnisprozess noch klarer herauszuarbeiten, stärker zu individualisieren und zu fokussieren. Zenbuddhistisches Denken wiederum könnte das Gesichtsfeld des Psychoanalytikers erweitern und vertiefen, es könnte die einseitige Rationalität und Kühle wissenschaftlicher Therapien zu überwinden helfen und zu mehr Menschlichkeit, Flexibilität, Natürlichkeit und gegenseitigem Verständnis in der Psychotherapie beitragen.
Was wir mit unserer Arbeit letztlich anstreben, ist eine vollkommene Synthese von Zen und Psychoanalyse, eine ähnliche Synthese, wie sie auch zwischen den verschiedenen psychoanalytischen und psychotherapeutischen Schulen erforderlich ist, die jede ihr eigenes Erbe und ihre Erfahrung mitbringen, jede ihre eigenen kreativen und innovativen Beiträge. Aber dazu sind vorerst noch eingehendere Untersuchungen erforderlich, von denen wir uns eine weitere Vertiefung unserer Theorie und Verfeinerung der Behandlungstechnik erhoffen.

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Aus dem Chinesischen von Hermann Schultz, Frankfurt